Wer sind die Yeziden?

 

Die Yeziden sind von der Volkszugehoerigkeit Kurden. Sie sprechen die kurdische Sprache, und auch die Siedlungsgebiete der Yeziden sind die kurdischen Gebiete. Es gibt kein freies Kurdistan. Die Yeziden leben verteilt im Irak, in Syrien, Tuerkei und ein ganz kleiner Teil im Iran. Es gibt auch noch Yeziden in den ehemaligen Sowjetstaaten Armenien und Georgien und mittlerweile auch in Deutschland. Zwar gibt es keine offizielle Zaehlung der Yeziden, die Gesamtzahl wird jedoch auf 800.000 geschaetzt. Damit ist das Yezidentum, das ehemals die Ursprungsreligion der Kurden war, eine religioese Minderheit unter den mehrheitlich moslemischen Kurden. Etwa 550.000 leben im Nordirak als Hauptsiedlungsgebiet, wo sich auch das religioese Zentrum der Yeziden - Lalish - befindet. Lalish liegt in der Naehe von Mossul. In der Naehe liegt auch der Sitz des weltlichen und geistigen Oberhauptes der Yeziden.

Die yezidische Religion ist eine monotheistische Religion, deren Wurzeln 4.000 Jahre vor Christus in die Zeit des Mithraismus zurueckgehen. Gott ist allmaechtig und erschuf die Welt. Die yezidische Vorstellung ist, dass neben Gott keine zweite Kraft existieren kann, die ohne seine Fuersprache, ohne sein Dazutun etwas Boeses verrichten kann. Deshalb existiert auch nicht die Gestalt des Boesen. Damit einhergehend ist auch die Vorstellung, dass das Leben fuer einen Yeziden nicht mit dem Tod endet, sondern es wird nach einer Seelenwanderung ein neuer Zustand erreicht.

Der Mensch ist in erster Linie selbst verantwortlich fuer sein Wirken. Aus yezidischer Sicht hat Gott dem Menschen die Moeglichkeit gegeben, zu sehen, zu hoeren und zu denken. Er hat ihm den Verstand gegeben und damit die Moeglichkeit, fuer sich den richtigen Weg zu gehen.

Zentrale Bedeutung hat der Engel Tausi Melek, der durch einen Pfau symbolisiert wird. Nach der yezidischen Mythologie hat er in besonderer Weise die Allmaechtigkeit Gottes gehuldigt und wurde von Gott zum Oberhaupt der sieben Engel erkoren. Er nimmt eine Art Stellvertreter-Funktion Gottes ein.

Man kann als Yezide nur geboren werden. Es besteht nicht die Moeglichkeit, zum Yezidentum zu konvertieren. Die yezidische Gesellschaft hat das Verstaendnis, dass ein Yezide ein guter Mensch sein kann, aber um ein guter Mensch zu sein, muss man nicht Yezide sein. Das heisst, die Yeziden vertreten nicht die Auffassung, andere Menschen von der eigenen Religion ueberzeugen zu muessen. Sondern das Yezidentum ist von vornherein tolerant gegenueber anderen Religionen ausgerichtet. In einem Gebet der Yeziden wird gesagt: “Lieber Gott, schuetze erst die 72 Voelker und dann uns”. Die Yeziden haben keine Beruehrungsaengste mit anderen Religionsgemeinschaften. So ist z.B. das Verhaeltnis zwischen Yeziden und Christen sehr gut. Dies hat etwas mit der gemeinsamen Leidensgeschichte der Yeziden und Christen in den kurdischen Gebieten zu tun. Die Yeziden haben z. B. waehrend der Zeit der Armenienverfolgung (1914-1917) sehr viele Yeziden in ihren Haeusern aufgenommen.

Seit dem 11. Jahrhundert gibt es innerhalb der Yeziden bestimmte Kasten, die der yezidische Reformator Sheikh Adi eingefuehrt hat. Die Gruppen sind unterteilt in Laien - die kurdische Bezeichnung lautet „Murid“ (das allgemeine Volk) - und die Kaste der Geistlichen, die sich dann noch in zwei weitere Kasten unterteilt - die Kaste der „Sheikh“ und die der „Pir“. Die Zuordnung der Kasten erfolgt nach dem Vererbungsprinzip. Die Geistlichen haben die Funktion, die Laien zu betreuen und in der religioesen Lehre zu unterweisen. Darueber hinaus uebernehmen sie wichtige soziale Funktionen. Im Gegensatz zum Kastenwesen im Hinduismus haben die Kasten im Yezidentum nicht die Funktion, eine weltliche Hierarchie herzustellen, sondern sie legen hauptsaechlich religioese Funktionen fest. Der Kontakt zwischen den einzelnen Kasten ist nicht nur gewuenscht, sondern die einzige Moeglichkeit, die Religion zu bewahren. Durch ihre Einfuehrung wurde eine komplexe Gesellschaft geschaffen, die aufgrund der gegenseitigen Abhaengigkeit zu einem besseren Zusammenhalt unter den Yeziden gefuehrt hat.

Was gehoert zum religioesen Existenzminimum bei den Yeziden?

 

  1. Funktionierendes Gemeindeleben unter Einhaltung der “fuenf Grundpflichten”
  2. Einhaltung der drei allgemeinverbindlichen Glaubensgrundsaetze
  3. Pflege von elementaren religioesen Braeuchen und Feierlichkeiten

Was sind die „fuenf Grundpflichten“ (Pênc ferzên heqîqetê)

 

Der yezidische Reformator Sheikh Adi hat durch die Einfuehrung der Klassen innerhalb der Yeziden eine komplexe Gesellschaft geschaffen. Diese Komplexität tritt an die Stelle einer religioesen Organisation etwa im Sinne christlicher Religionen, sie erfordert einen intensiven Kontakt der Yeziden untereinander.
Unabhaengig von der Zugehoerigkeit zu einer Klasse ist jeder Yezide an fuenf Grundsaetze gebunden: 

  1. Anerkennung des „Meisters“ (hoste), gemeint ist Gott
  2. Religioese Betreuung durch einen Sheikh
  3. Religioese Betreuung durch einen Pir 
  4.  Wahl eines Lehrers (Merebi).
  5. Wahl eines Bruders bzw. einer Schwester für das Jenseits (Yar an Birayê Axretê)

Kennen die Yeziden eine Art Taufe (Bisk)?

 

Allen Saeuglingen maennlichen Geschlechts werden im 7., 9. oder 11. Monat (die Monatszahl muss ungerade sein) kleine Bueschel des Kopfhaares an drei verschiedenen Stellen von ihrem Tauf-Sheikh (Þêxê Biskê) abgeschnitten, und dabei wird das Taufgebet gesprochen.

Wird bei den Yeziden die Beschneidung (sunet) praktiziert?

 

Maennliche Yeziden werden in ihrer Kinderzeit, spaetestens aber kurz vor ihrer Ehe einer Beschneidung unterzogen.

Wie erfolgt bei den Yeziden die Beerdigung?

 

Es gelten detaillierte Regeln. Der Sarg muss so in die Erde eingelassen werden, dass das Gesicht des Toten in Richtung Sonnenaufgang zeigt. Die Waschung der Toten erfolgt nach einer bestimmten Zeremonie, wobei der Scheikh, der Pir und der Biraye Akhrete anwesend sein muessen. Der Sarg fuer Frauen wird etwas tiefer eingelassen als der fuer Maenner. Zum Abschluss wird eine Grabplatte gelegt. Der Leichnam traegt weisse, besonders zugeschnittene Kleidung, und das Gesicht - Augen und Mund - werden mit Berat belegt. Berat ist die zumeist zu Kugeln geformte heilige Erde aus dem Religionszentrum Lalish. Der Mann erhaelt je einen Grabstein ueber dem Kopf und den Fuessen, die Frau nur einen Kopf-Stein.
Der menschliche Koerper ist etwas Gott gegebenes. Auch nach dem Tod bezeichnen die Yeziden den verstorbenen Leichnam als „Amanete Khode“, d.h. „Eigentum / Werk Gottes“. Folglich wird bei den Yeziden die Einaescherung nicht praktiziert.
Nachdem der Leichnam beerdigt wurde und die Trauergemeinde die Grabstelle verlaesst, versucht der Verstorbene den Menschen zu folgen. Dabei stoesst er mit seinem Kopf gegen eine Steinplatte / einen groesseren Stein, die ihm ins Grab gelegt wurden und er erkennt erst zu diesem Zeitpunkt, dass er verstorben ist.

Welches sind die wichtigsten religioese Feste der Yeziden?

 

  1. Im Dezember feiern die Yeziden das “Îda Êzî”. Voran geht ein dreitaegiges Fasten.
  2. Im April feiern die Yeziden das religioese Neujahrsfest “Carsema Sor
  3. Im Oktober feiern die Yeziden das Fest zur Ehren Sheikh Adis (Cumaiya Sîxadî)

Welche Bedeutung hat das Ida-Ezi-Fest?

 

Das Ida-Ezi-Fest bildet den Hoehepunkt der Feierlichkeiten nach den vorangegangenen Fastentagen. An dem ersten Dienstag im Dezember eines Jahres fasten die Yeziden drei Tage, d.h. bis zum Donnerstag einschliesslich, wobei taeglich nur vor Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang gefastet wird (ca. 12 Stunden). Bei den Yeziden beginnt der erste eines Monats am 14. des christlichen Kalenders. Am 4. Tag, immer ein Freitag wird das Ida Ezi gefeiert. Die Bedeutung der Feier fuer die Yeziden ist der von Weihnachten bei den Christen gleichzusetzen. Der Ursprung der Feier ist sehr alt und findet sich im Mithraismus, in dem die Sonne verehrt wurde. Auch im Yezidentum nimmt die Sonne einen hohen Stellenwert an und wird als das sichtbare Symbol Gottes verstanden. Im Ur - Yezidentum wurde die Sonne gar als Gottheit angebetet. Nicht ohne Grund faellt daher der wichtigste Feiertag der Yeziden in die Sonnenwende (21.12. eines Jahres). Weil die Tage zu der Sonnenwende immer kuerzer werden und damit die Sonne immer weniger zu sehen ist, fasten die Yeziden. Mit dem Feiertag wurde also urspruenglich das Ende der kurzen Tage gefeiert. Es ist das Fest zu Ehren Gottes.

Existiert bei den Yeziden die Gestalt des Boesen?

 

Im Yezidentum existiert nicht die Gestalt des Boesen. Die yezidische Vorstellung ist, dass Gott allmaechtig ist und neben Gott auch keine zweite Kraft existieren kann, die ohne seine Fuersprache, ohne sein Dazutun etwas Boeses verrichten kann. Die Yeziden sprechen auch nicht das Wort des Boesen aus, weil allein der Ausspruch dieses Wortes die Anzweiflung der Einzigartigkeit Gottes ist. Nach yezidischer Vorstellung waere Gott schwach, wenn er noch eine zweite Kraft neben sich existieren lassen wuerde. Diese Vorstellung waere mit der Allmacht Gottes nicht vereinbar.

Welche Bedeutung wird Tawusi Melek beigemessen?

 

Gott hat aus seinem Licht sieben Engel geschaffen. Einen von ihnen - den Tausi-Melek - hat er zum obersten Engel erkoren, weil er in besonderer Weise die Einzigartigkeit Gottes gehuldigt hat. Er wird im Yezidentum durch einen Pfau symbolisiert.
Aufgrund der Weigerung, Adam anzubeten, steht er fuer die Anerkennung der Allmacht Gottes. Er wurde von Gott zum obersten der sieben Engel erkoren und steht somit im Mittelpunkt des yezidischen Glaubens. So symbolisiert Tausi-Melek in der yezidischen Theologie nicht das Boese und ist auch kein in Ungnade gefallener Engel.
Nach der Schoepfungsgeschichte der Yeziden ist Tausi-Melek an der gesamten Schoepfung, an dem goettlichen Plan aktiv beteiligt. Folglich verkoerpert Tausi-Melek nicht den Widerpart in einem dualen Weltbild, sondern ist der Beweis fuer die Einzigartigkeit Gottes.

Wie sieht das Menschenbild bei den Yeziden aus?

 

Der Mensch ist in erster Linie selbst verantwortlich fuer sein Wirken. Aus yezidischer Sicht hat Gott dem Menschen die Moeglichkeit gegeben, zu sehen, zu hoeren und zu denken. Er hat ihm den Verstand gegeben und damit die Moeglichkeit, fuer sich den richtigen Weg zu gehen.


Haben die Yeziden ein heiliges Buch?

 

Es gibt im Yezidentum keine schriftliche Fixierung der religioesen Lehre, wie es vergleichbar die Bibel fuer die Christen ist. Die Vermittlung beruht vielmehr auf muendlicher Ueberlieferung. Es gibt jedoch zwei Buecher, das „Buch der Offenbarung“ - kurdisch „Kiteba Celwa“, und die Schwarze Schrift. Die kurdische Bezeichnung hierfuer ist „Meshefa Resh“. Beide haben aber nie die Bedeutung gehabt, die Religion zu vermitteln. Sie sind “leider als Originale auch nicht mehr auffindbar. Es sind lediglich einige Abschriften vorhanden, wobei davon ausgegangen werden kann, dass diese nicht in allen Teilen authentisch sind.

Was hat es mit der Klassengesellschaft im Yezidentum auf sich?

 

Wichtig fuer das Verstaendnis der yezidischen Religion ist, dass es im Yezidentum eine Art Klassengesellschaft gibt. Man kann als Yezide nur geboren werden. Es besteht nicht die Moeglichkeit, zum Yezidentum zu konvertieren. Und seit dem 11. Jahrhundert gibt es innerhalb der Yeziden bestimmte Abgrenzungen oder Klassen, die der yezidische Reformator Sheikh Adi eingefuehrt hat. Die Gruppen sind unterteilt in Laien - die kurdische Bezeichnung lautet „Murid“ (das allgemeine Volk) - und die Klasse der Geistlichen, die sich dann noch in zwei weitere Klassen unterteilt - die Klasse der „Sheikh“ und die der „Pir“. Die Zuordnung der Klassen erfolgt nach dem Vererbungsprinzip. Die Kinder von Murid-Eltern sind ebenfalls Murids, sowie die Kinder von Sheikh-Eltern Sheikhs und die Kinder von Pir-Eltern Pirs sind. Jeder Sheikh- und Pir-Familie sind von Geburt Murids zugeordnet.

Welche Funktion hat das Klassenwesen?

 

Die Geistlichen haben die Funktion, die Laien zu betreuen und in der religiösen Lehre zu unterweisen. Darueber hinaus uebernehmen sie wichtige soziale Funktionen. Im Gegensatz zum Kastenwesen im Hinduismus haben die Klassen im Yezidentum nicht die Funktion, eine weltliche Hierarchie herzustellen, sondern wie beschrieben hauptsaechlich religioese Funktion. Es gibt also in der yezidischen Gesellschaft keine Ausgrenzung und keine Parias. Der Kontakt zwischen den einzelnen Klassen ist nicht nur gewuenscht, sondern die einzige Moeglichkeit, die Religion zu bewahren. Durch die Einfuehrung der Klassen wurde eine komplexe Gesellschaft geschaffen, die aufgrund der gegenseitigen Abhaengigkeit zu einem besseren Zusammenhalt unter den Yeziden gefuehrt hat. Es war den Yeziden aufgrund der Unterdrueckung versagt, ihre religioese Organisation oeffentlich zu bestimmen und zu pflegen. Durch die von Geburt festgelegte Zuordnung zu einer Klasse und einem Betreuungsverbund hat Sheikh Adi ein religioeses System etabliert, das den Yeziden ermoeglicht hat, in der Unterdrueckung auch ohne die sonst erforderliche oeffentliche Organisation ihr religioeses Leben zu fuehren. Diese Regeln haben bewirkt, dass die Yeziden gegen die massiven Islamisierungsbestrebungen resistenter wurden.

Wie ist das Toleranzverständnis im Yezidentum zu anderen Religionsgemeinschaften?

 

Die yezidische Gesellschaft hat als Grundverstaendnis, dass ein Yezide ein guter Mensch sein kann, aber um ein guter Mensch zu sein, muss man nicht Yezide sein. Das heisst also: Die Yeziden vertreten nicht die Auffassung, dass sie andere Menschen von der eigenen Religion ueberzeugen muessen, also die anderen von ihrer Religion abbringen und missionieren muessen. Sondern das Yezidentum ist von vornherein tolerant gegenueber anderen Religionen. In einem Gebet der Yeziden heisst es: „Lieber Gott, schuetze erst die 72 Voelker und dann uns“.


Wie sieht Menschenrechtssituation der Yeziden in ihren Heimatgebieten

 

Die Yeziden werden in ihrer Heimat verfolgt. Einmal ethnisch, weil sie Kurden sind, aber dann noch viel gravierender, weil sie Yeziden sind. Weil sie einer Glaubensgemeinschaft angehoeren, die aus Sicht der fundamentalistischen Moslems kein Recht hat, ueberhaupt zu existieren. Das Christentum und das Judentum gehoeren zu den geduldeten Religionen. Aber das Yezidentum wird als eine Abspaltung des Islam, praktisch als eine Sekte verstanden, die von dem richtigen Weg abgekommen ist. Deren Anhaenger sind zu bekehren oder umzubringen.
Die Yeziden haben auch keinen Schutz von den Regierungen und Staaten bekommen. Die Tuerkei z. B. hat die Yeziden nicht davor schuetzen koennen oder wollen, verfolgt zu werden. Deswegen sind besonders in den achtziger Jahren sehr viele Yeziden nach Deutschland gefluechtet. Hier wurden sie nach einem sehr langwierigen Asylverfahren, nachdem sehr viele Gutachten erstellt wurden, als asylberechtigt anerkannt.


Lalish-foto

 
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